Herzlichkeit, ehrliche Gastfreundschaft und Freunde – durch meine Lehrtätigkeit in der Secondaryschool fand ich nicht nur Arbeit, die mich glücklich machte, forderte und frustrierte, ich fand Zugang zur Community.

 

Zwei Wochen brauchte ich etwa, dann hatte ich ansatzweise Ahnung vom Alltag der Landbewohner in Tansania. Ich habe gelernt tansanisch zu kochen, ich habe Reis gesiebt, Mehl gestampft, Tierstallungen besucht und die Kindererziehung erlebt. Danach war ich schon ganz heiß darauf, endlich in der Schule mitarbeiten zu können. Leider hatten die Schulen den ganzen Dezember frei. Semesterferien… Die Arbeit im Waisendorf war nach den zwei Wochen meiner Ankunft nicht mehr allzu spannend, die Herausforderung war weg. Und ich konnte mich mit den Meisten dort ja nicht wirklich verständigen – Swahili kann ich ja nicht sprechen und sie konnten kein Englisch. Ich hatte so viele Fragen, aber meine Chefin wollte ich damit nicht durchlöchern, somit blieb so viel unbeantwortet. Ich freute mich irrsinnig auf die Schule, zurecht.

Eine Weiße im Lehrerzimmer

Im Jänner startete das neue Schuljahr, mit einer Weißen im Team – ich arbeitete als Geografielehrerin in einer Sekundarschule und begleitete Englisch-, Biologie- und Staatsbürgerkundelehrer. Das Schulsystem in Tansania unterscheidet sich von unserem. In der Sekundarschule sind meist Schüler im Alter von 13-20 Jahren. Die Altersangaben sind schwierig, Kinder werden in die Schule geschickt, wenn genug Geld vorhanden ist. Schulpflicht beinhaltet nur die Grundschule (7 Jahre), was aber noch lange nicht bedeutet, dass wirklich jedes Kind zur Schule geht…. Es gibt ja nicht mal genug Schulplätze für alle Kinder….

Ich unterrichtete in der „St.Martin’s Secondary School“, einer Mädchen-Privatschule, die von Nonnen geführt wird. Das Lehrerteam besteht neben 4 Nonnen aus 10 männlichen Lehrern. Die Nonnen haben ihre extra Räumlichkeiten. Gleich in den ersten Minuten meiner Ankunft bekam ich einen eigenen Platz im Lehrerzimmer und war somit in der Männerhöhle aufgenommen. Das Schönste war die ehrliche Freude über meine Anwesenheit. Ich war die erste weiße Lehrerin, die in der Schule mitarbeitet und das Interesse der Lehrer und Schüler war so groß wie mein eigenes.

Mit den Lehrern und den Schülern machte ich so viele positive Erfahrungen. Frustrierend war allerdings das Unterrichten. Eine Klasse besteht aus etwa 50 – 70 Schülerinnen. Auswendiglernen ist das Nonplusultra. Das Unterrichtsmaterial ist knapp, was natürlich einschränkend ist. ..Es gibt ja häufig nur etwa 10 Bücher für 60 Schüler!! Es war somit nicht mal möglich, dass jeder Schüler mitlesen etc. konnte. Und man bedenke, ich war in einer Privatschule. Diese Schule ist gut ausgestattet – vergleicht man sie mit öffentlichen Schulen, wo sich häufig 2 Schüler einen Sessel teilen… EIN Sessel und zwei Schülerpopos darauf. Wahnsinn.

Das Engagement der Lehrer dieser Schule mag ich loben. Sie denken kritisch, arbeiten hart, ehrlich und reflektieren.  Sie hatten großes Interesse an meiner Einschätzung zu ihrem Lehrstil sowie zu ihrem Bildungssystem. Mit ihnen war ein Austausch so einfach. Und ihre Ausbildung scheint Hand und Fuß zu haben. Ich war ehrlich gesagt überrascht über das Wissen der Lehrer. Meine Erwartungen traf überhaupt nicht auf die Secondaryschool zu, dafür waren danach meine Erfahrungen in der Volksschule umso schockierender. Allerdings sind in dieser Privatschule sicher Lehrer, die aus der Norm fallen, in öffentlichen Secondarschulen sieht das Ganze vielleicht auch anders aus. Auf meinen Wunsch hin, besuchte ich für 3 Tage eine öffentliche Volksschule. Dort war der gesamte Unterricht auf Swaheli, somit übernahm ich das einzig mögliche – die Englischstunden. In der Volksschule erfüllten sich meine Erwartungen bzgl. Lerninhalt und auch Lehrerausbildung, sie haben nämlich so gut wie keine. Was natürlich einen komplett unsinnigen Unterricht mit sich bringt.

Schläge als Erziehungsmaßnahme sind in allen Schulformen Tansanias üblich. In der Volksschule bekamen die Kinder manchmal auch in der Früh als Warnung einen Schlag mit einem Stab auf die Finger.

Wie werde ich erfolgreich? 

Das ist kein Titel eines Buches und kein Satz, der euch zum Nachdenken anregen soll. Diese Frage hat mir ein Volksschullehrer in der Teepause gestellt, mit der Erwartung eine klare Antwort zu erhalten. Mit dieser Erzählung möchte ich euch verstehen lassen, wie ich dort gesehen wurde. Ich war die Lehrerin aus dem gebildeten Europa, einem Vorbild in Entwicklung und Bildung. Ich bin unverheiratet und bin trotzdem in meinen jungen Jahren allein in Tansania – ich muss ja bereits einiges erreicht haben, um mir das leisten zu können. Ich arbeite in Schulen, um andere Bildungssysteme kennen zu lernen, Fortbildung aus Eigeninitiative. In den Augen dieses Lehrers bin ich sowas wie eine junge erfolgreiche Geschäftsfrau, von der er sich Tipps für seinen Erfolg holen wollte.

Teil der Community

Mitglied der ansässigen Gesellschaft zu werden ist schwierig, wenn man die Sprache nicht kann. Mit meiner Arbeit in der Schule, wo Englisch die offizielle Sprache ist, hatte ich endlich einen Boden, wo problemloses Kommunizieren möglich war. Und dazu noch Leute um mich, die genauso interessiert an meiner Kultur waren, wie ich an ihrer! Ich wurde sogar zu kritischen Gesprächen aufgefordert – perfekt!

Durch das gegenseitige Interesse freundete ich mich mit den Lehrern so schnell an. Sie besuchten mich im Waisendorf und ich wurde zu ihnen nach Hause eingeladen. Ein Lehrer hatte Hochzeitsfeier und lud mich ebenfalls ein. Die anderen Freiwilligen nahm ich mit und auch noch zwei Freunde von ihnen, die zufällig auf Besuch waren. Der Hochzeitsredner sowie der Bräutigam erwähnten uns während der Feier etwa 5x durchs Mikro „Claudia and her friends“, was zwar natürlich eine große Ehre war, aber auch ziemlich unangenehm. Ich fühlte mich ja eher als Schaulustige und nicht als Ehrengast, was ich anscheinend aber war.

In den letzten Wochen erlebte ich also das anfangs vermisste Zugehörigkeitsgefühl. Ich hatte Kontakte geknüpft und wäre irrsinnig gerne noch geblieben. Mein Swaheli verbesserte sich nun auch endlich – wenn ich auch noch immer nur im Stande war lächerlich wenig zu sagen. Und gerade wenn es am Schönsten ist, muss man weiterreisen. Mein letztes Abenteuer war die Zugfahrt zurück nach Daressalaam und die letzten Tage dort, die ich mit dem Medizinstundenten David verbrachte. Mit ihm wohnte ich in einem kleine Slum der Stadt – ehrlich. Er zeigte mir noch ein paar Ecken von Daressalaam und den letzten Tag verbrachten wir entspannt auf einer Insel. Der Slum war halb so schlimm. David hat eine Wohnung in einem Haus mit Strom und Wasseranschluss – es schaute von außen nur etwas wild aus, da es nicht fertig gebaut war, die Eisenstangen standen oben einfach so ab. Nachts spaziert man da natürlich nicht durch die Straßen und egal zu welcher Tageszeit, ich wurde gewarnt niemanden die Tür zu öffnen, während ich allein in der Wohnung war. …Es hat aber sowieso niemand geklopft.

Schlussfazit: Ich mag nicht weg.

Als ich in Tansania ankam war ich unschlüssig, ob ich das Land mit einem positiven Eindruck verlassen werde. Es gibt in der Kultur so einige Dinge, die ich zwar für meinen Aufenthalt respektiert habe, aber generell nicht akzeptieren kann. Die kritischen Gespräche mit meinen tansanischen Freunden haben mir das nochmal richtig klar gemacht, aber auch geholfen die Sichtweise von ihnen besser zu verstehen. Mit den gewonnenen Kontakten fühlte ich mich immer mehr zuhause.

Die Kinder schenkten mir so unglaublich viele Sonnenstunden. Sie strahlen übers Gesicht und genießen jede Minute mit dir. Ich hab mir aber ein ordentliches Schutzschild aufbauen müssen, denn es gibt so vieles was diese Kinder alleine nicht bewältigen können. Das Waisendorf schützt sie, aber ohne Geld ist nichts möglich. Immer wieder muss ich mir selbst sagen, dass ich nicht jedem helfen kann. ..die Welt retten, das müssen wir zusammen.

Und, ich mag euch ja meine Quote nicht vorenthalten: 7 Heiratsanträge. Das Land hab ich aber unverheiratet verlassen.

 

Großer Sprung auf der Landkarte, großer Kultursprung. Von Tansania gings direkt nach Thailand weiter – während ich hier große Probleme hatte, überhaupt in den Flieger steigen zu dürfen. Diesmal war es wirklich ernst, ich musste alles geben: Argumente (wenn auch unsinnige), mein Lächeln und ein bisschen das hilflose Mädchen verkörpern.

Thailand verlangt offiziell auch ein Ausreiseticket – geh bitte….. immer das Selbe. Mir wurden die Einreisebestimmungen von Thailand vorgelesen, zusätzlich musste ich sie selbst lesen und mit dem Satz „Wir können dich nicht in den Fliegen lassen“, wollten mich die Angestellten tatsächlich in Tansania behalten. Meine Überzeugungsfähigkeit dürfte irgendwie in die Höhe geschossen sein. Denn mit meinem immer wiederholenden Argument „Die in Thailand sind da nicht so streng, die haben das zwar offiziell im Gesetz stehen, aber die schauen da nicht drauf“ hab ichs dann nach einer gefühlten Stunde Diskussionszeit echt geschafft. Mit einem Versprechen, dass ich ihnen keine Schwierigkeiten bereite, ließen sie mich fliegen.

Eine Woche gönnte ich mir allein in Thailand, ich wollte die vielen Eindrücke Tansanias verarbeiten. Und dann – große Aufregung, meine Eltern besuchen mich! 7 Monate seit dem letzten Mal Auge in Auge! Die Verarbeitungszeit hab ich genutzt, allerdings reicht das nicht. Ich bin in Thailand, in Asien, aber meine Gedanken kreisen noch immer irgendwo in Afrika herum…

 

Alles Liebe

Claudia